Inhalt
"In allen
Feuilletons wird der bevorstehende demographische Kollaps der
westlichen Industriegesellschaften beschworen. Vor 100 Jahren
war das nicht anders. Die Beschwörung der Demographie in der
Form einer nahenden Katastrophe hat seit langem Konjunktur.
Wieso aber leben wir noch? Warum schlagen demographische
Prognosen regelmäßig fehl? Welche bio-politischen Funktionen
könnte ein Diskurs haben, der erfolgreich sein permanentes
Scheitern überlebt? Um Alternativen zur aktuellen
Untergangsstimmung denken zu können, soll ein vergleichender
Blick in die Geschichte die spezifische Form des Sprechens über
Bevölkerung enthüllen."
Bewertung
Thomas Etzemüller arbeitet in
seinem aufschlussreichen Buch die Grundelemente des
internationalen Bevölkerungsdiskurses heraus.
Die Wahrnehmung und die
politische Bearbeitbarkeit der Herausforderungen, vor die uns
der demografische Wandel stellt, unterscheidet sich, je nachdem
welche Vorstellungen zur Bevölkerungsfrage zur Verfügung stehen.
Dies deutlich zu machen, ist auch ein Verdienst des Buches von
Thomas Etzemüller.
Die Debatte um den Geburtenrückgang vor 1945 wird insbesondere
von den Befürwortern einer aktiven Bevölkerungspolitik
ausgeblendet. Mit Verweis auf den deutschen Sonderweg während
des Nationalsozialismus werden einseitig die Vorbehalte
gegenüber einer aktiven Bevölkerungspolitik beklagt und
gleichzeitig als überholt abgetan. Es ist deshalb begrüßenswert,
dass Etzemüller durch den deutsch-schwedischen Vergleich die
Rede vom deutschen Sonderweg relativiert.
Wer verstehen will, warum
sich Bevölkerungspolitik als Lösung so ziemlich aller
gesellschaftspolitischer Problemlagen inszenieren kann, die mit
der Volkswirtschaft und dem Sozialstaat zusammenhängen, der wird
großen Nutzen aus dem Buch ziehen.
Viele Schaubilder aus den
Anfängen der Debatte um den demografischen Wandel mit seinen
Ängsten vor Über- und Unterbevölkerung ermöglichen außerdem, die
gegenwärtigen Bebilderungen des Bevölkerungsniedergangs in ihrer
historischen Gewordenheit zu verfolgen. |