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Das Single-Dasein im Spiegel der Medien


 
 
2009 - Februar

"Im Selbstmordraum der westlichen Welt"
(Schlagzeile zur Besprechung der Romane Ausweitung der Kampfzone und Elementarteilchen von Michel Houellebecq in der Neuen Zürcher Zeitung vom 10.04.1999)

"Für das Individuum ist es sicher besser, die Sache mit dem Selbstmord bleiben zu lassen. Aber für eine soziale Kultur ist es besser, wenn es Leidenschaft und die Vorstellung eines Begehrens gibt, die im Extremfall im Selbstmord münden können. Was für das Individuum gut ist, kann für eine Kultur schlecht sein."
(Eva Illouz am 21.01.2009 im Stadtmagazin Falter)

Der erste Rückblick fällt ein wenig aus dem Rahmen, denn er erstreckt sich nicht nur über den Januar, weil bereits im Dezember etliche Titelgeschichten erschienen sind, die nicht unterschlagen werden sollen.

Es war das US-amerikanische New York Magazine, das am 1. Dezember den Auftakt machte. Die Journalistin Jennifer Senior hinterfragt in Alone Together das Bild vom einsamen Großstädter, das die US-amerikanischen Kommunitaristen seit Mitte der 1980er Jahre geprägt haben. Bowling Alone gilt dem Small Town-Amerika als Symbol für den Verlust an tradierter Gemeinschaft. Es kann kaum verwundern, dass es erstens eine Frau ist, die den Artikel verfasst hat, und zweites die Stadt New York im Mittelpunkt steht.

Die typische New Yorker Singlefrau lebt in Manhattan, jenem geradezu mythisch aufgeladenen Stadtteil, der in der Nachkriegszeit den Ausgangspunkt der Single-Industrie bildete.

In ihrem Buch Re-making love [ gebraucht suchen im Original ;in deutscher Übersetzung] beschreiben die bekannte Publizistin Barbara Ehrenreich und zwei Co-Autorinnen die Geschichte der modernen Singlefrau. Der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft mit ihren Bürojobs für weibliche Angestellte sowie die Bedingungen einer Großstadt wie New York City waren der ideale Nährboden [ mehr ].

Der New Yorker Alan Stillman gilt als Erfinder des Single Bar-Konzeptes. T.G.I.F. (Abkürzung für Thank God It's Friday) steht für ein Erfolgskonzept, das seinen weltweiten Siegeszug 1965 von Manhattans Upper Eastside aus antrat [ mehr ].

Die Frauenzeitschrift Cosmopolitan wurde - ebenfalls 1965 - von der neuen Chefredakteurin Helen Gurley Brown umgekrempelt. 1962 war sie mit ihrem Bestseller Sex and the Single-Girl berühmt geworden. Ihre Vision vom Cosmo-Girl wurde in den swinging 60s zum Inbegriff der modernen Singlefrau [ mehr ].
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Die erfolgreiche Fernsehserie Sex and the City verbreitete seit Ende der 90er-Jahre diesen weiblichen Singletyp in zeitgemäßer Form [ mehr ]. Heike Karen Runge schreibt passend dazu in der linkshedonistischen Jungle World über die Erschaffung der Single-Frau aus dem Geist der Urbanität und Candace Bushnell (schrieb die Romanvorlage zur Fernsehserie [ gebraucht suchen ]) gilt ihr gar als Virginia Woolf (A Room of One's Own) des 20. Jahrhunderts.

Alleinleben ist in Großstädten wie New York zur neuen Normalität geworden, so eine zentrale Annahme von Jennifer Senior. Mehr als drei Viertel der Alleinlebenden seien jünger als 65 und 57 Prozent seien weiblich. Aber resultiert daraus, dass in Großstädten die moderne Singlefrau im mittleren Lebensalter - also die Generationsgenossinnen von Jennifer Senior - das Alleinleben repräsentieren?

Es mag sein, dass sie die Redaktionen der Medien beherrschen. Für Deutschland gilt jedenfalls: das typische Alleinleben im Familienlebensalter ist männlich und meistens alles andere als glamourös. Frauen wohnen dagegen mehrheitlich als Jüngere und Ältere allein.

Auch die Focus-Titelgeschichte Leben Singles glücklicher? stammt aus der Feder einer Journalistin. Vom Leitbild zum Leidbild beschrieb der Soziologe Stefan Hradil, bekannt geworden durch sein Buch Die "Single-Gesellschaft", den Wandel des Single-Bildes auf dem Höhepunkt der Debatte um den demografischen Wandel. Singles seien keine Vorbilder mehr, sondern waren eine Sackgasse. Nun erklärt uns Kerstin Holzer, dass sich dieses angekratzte Image gerade wandelt. Sie kommt darauf, u.a. aufgrund der oben erwähnten Titelgeschichte.
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Aber auch im Familienland Frankreich gibt es immer mehr weibliche Alleinlebende. Das weiß man bei uns spätestens aus den Büchern des französischen Soziologen Jean-Claude Kaufmann, der mit originellen Methoden das französische Single-Dasein und die Tücken der Paar- und Familienbildung untersucht hat. Für die Studie Single-Frau und Märchenprinz wertete er u.a. Leserbriefe an die Frauenzeitschrift Marie-Claire aus.
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Solotanz - Anleitung zum Alleinsein, das neue Buch der französischen Psychoanalytikerin Marie-France Hirigoyen verspricht dagegen das Glück und Unglück dieser neuen Lebensform zu erfassen. Ambivalenz statt Einsamkeit wird dem Alleinleben im mittleren Lebensalter eher gerecht als die Verklärung der Freiheit oder die Beschwörung der Einsamkeit. Oder ist das Alleinleben gar eine Reifeprüfung? Jennifer Senior ist jedenfalls dieser Meinung, denn die Ehen der New Yorkerinnen, die eine Singlephase durchgemacht haben, seien stabiler als andere Ehen.
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Auch für Deutschland versucht eine neue Studie Vorurteile abzubauen. Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter heißt das Buch einer Forschergruppe um den Heidelberger Psychologen Hans-Werner Wahl, das neue Schwerpunkte in der Singleforschung gesetzt hat und das Potenzial besitzt zum neuen Standardwerk über Singles zu werden. Im Mittelpunkt stehen nunmehr nicht Single-Haushalte, sondern Partnerlose. Dies wird im Focus-Titel nicht deutlich. Im Interview kommt der Psychologie-Professor selber zu Wort. Wenn berufstätige Alleinerziehende als Risikogruppe benannt werden, dann ist eine Gruppe angesprochen, die in der politischen Debatte nicht den Singles, sondern den Familien zugerechnet wird.

Der Bamberger Soziologe Hans-Peter Blossfeld hält die neue Zufriedenheit der Singles mit ihrem Leben für Rationalisierung. Sein Haupteinwand: Warum boomt sonst die Partnersuche so?
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Dem männlichen Single verleiht auf dem Focus-Cover der Film-Star George Clooney sein Gesicht und im zweiten Interview wird der Schriftsteller Helge Timmerberg (Single-ABC) befragt. Der Teilzeit-Single - auch bekannt als Living apart together - heißt sein Patentrezept. Das ist nicht zu verwechseln mit den Fernbeziehungen oder Wochenendbeziehungen, die das Resultat  beruflicher Mobilitätszwänge sind [ mehr ].
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Gemeinsam getrennte Wege gehen, heißt ein Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger, der zeigt, dass nicht erst der Berufsbeginn, sondern bereits das Studentenleben Fernbeziehungen mit sich bringt. Die Universität ist ein Heiratsmarkt wie uns Uta Jungmann in der FAZ zeigt und erfolgreiche Doppelkarrierepaare haben sich nicht selten bereits im Studium gefunden.    

Anfang Januar widmete die Frauenzeitschrift Brigitte der Partnersuche ein Dossier. Ich finde mich so toll. Warum bin ich noch allein? hieß Ende der 80er Jahre ein Ratgeber-Klassiker der US-Amerikanerin Susan Page. Es war die Zeit als den Karrierefrauen ein Heiratsengpass drohen sollte. Diese These vertritt heutzutage der oben erwähnte Soziologe Hans-Peter Blossfeld für Deutschland. Nun kritisiert Ulrike Thomassen in der Brigitte den Spruch "Du bist doch so eine tolle Frau", dem sofort nachgeschoben wird "Du kannst doch jeden haben". Statt eine perfekte Fassade aufbauen zu wollen, solle man lieber seine Schwächen kennen lernen. Dazu bedurfte es bei der Autorin dreier Phasen der Trennungsbewältigung: Wunden lecken, Fassade aufpolieren und Schwächen eingestehen. Beherzige man dies, dann sei man im Rennen.

Im Interview behauptet der Paartherapeut Michael Mary (Liebe in Not), Single sei man immer freiwillig. Singles würden sich nur gerne in der Opferrolle sehen. Angesichts der vielen Millionen Partnersuchenden würde doch jeder einen finden. Okay ertappt, jeder hat gewisse Ansprüche an den Partner, den er sucht. Die sind auch sinnvoll. Einsamkeit zu zweit ist schließlich nicht jedermanns Sache.

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Rechtsanwalt, 48, äußerst attraktiv heißt ein Selbstversuch der Journalistin Gunda Wöbken-Ekert im Wochenendmagazin der Berliner Zeitung. Im Gegensatz zu Judith Alwin hat sie die Partnersuche im Netz nicht ernsthaft betrieben. Ins Netz gegangen heißt das Buch von Judith Alwin. Sein Vorteil: Es vermittelt das Know How über die Partnersuche auf unterhaltsame Weise.

Die Stadt der einsamen Herzen, damit meinen Britta Stuff und Hannes Stein New York und damit wären wir wieder am Ausgangspunkt unseres Streifzugs. Die Journalisten aus dem Hause Springer haben auch im New York Magazine gelesen, aber das Thema auf das Problem der Partnersuche reduziert. Singles verpassen das wirkliche Leben, lassen sie am Ende aus dem Munde einer frustrierten Singlefrau verlautbaren, die gerade eine Speed Dating-Veranstaltung absolviert hat. Mit 14 Dates in einer Stunde war Marion Loher für das St. Galler Tagblatt dabei. Eine interessante Erfahrung war es für sie und sie würde es wieder tun.
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Im Wiener Stadtmagazin Falter spricht die israelische Soziologin Eva Illouz, die mit dem Buch Der Konsum der Romantik bekannt geworden ist, über ihre neue Position zur Ökonomie der Romantik. Demnach haben Waren und kommerzielle Angebote mehr Möglichkeiten geschaffen, romantische Momente zu erfahren. Dies findet Illouz gut. Also Rote Rosen zum Valentinstag nicht vergessen, auch wenn Sasha Cagen und ihre Quirkyalones (Google weiß auch das) etwas dagegen haben. Das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der Partnersuche beurteilt Illouz dagegen negativ. Die damit einhergehende Kultur der Auswahl zerstöre die Intimität und führe zu einer Ökonomisierung der sozialen Beziehungen. New York und das Internet haben vieles gemeinsam, zu diesem Schluss kommt Jennifer Senior, aber sie sieht das positiv.

Neben der Kultur der Auswahl bedrohen unsere Zivilisation auch immer noch die ewigen Buben wie Beatrice Schlag in der Weltwoche zu berichten weiß. Die Abschleppspezialisten stellt Bernd Kramer dagegen in der taz vor.

Hoffnung kommt für unsere Kultur von anderer Seite. Den Zaubermix der Liebe präsentiert uns Pia Heinemann. Wird uns ein Spray retten, das zu lebenslanger Liebe animiert? Heike Stüvel beruhigt uns dagegen mit der Schlagzeile Noch nie lebten so viele Menschen in Deutschland so lange zusammen wie heute: In Liebe und Treue.   


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