Tagebuch einer Buchveröffentlichung
2006 -
2007
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2005 Irgendwann im Laufe des Jahres 2005 stellte ich
fest, dass sich in der öffentlichen Debatte um den demografischen
Wandel plötzlich Positionen fanden, die bislang nur auf meinen
Websites vertreten wurden.
Dies fing an mit einem
Cicero-Artikel des Soziologen Karl-Otto HONDRICH im
August. Der Frankfurter Soziologe griff die
Gefahrenbeschwörungsgemeinschaft an (ich nenne das
nationalkonservatives Paradigma) und griff dabei auf ein
Alternativszenario zurück, das ich bereits
im Jahr 2002 entwickelt hatte. Ich hatte damals darauf
hingewiesen, dass ein solches Szenario die Debatte versachlichen
würde. Seit März 2006 gibt es dazu noch ein weiteres
Szenario von Jürgen VOß.
Am 9. Oktober schrieb dann der Wissenschaftsjournalist Björn
SCHWENTKER plötzlich für die Zeit-Online, dass die Zahlen der
40 % kinderlosen Akademikerinnen falsch seien. Man muss sich das
vorstellen. Die Print-Zeit gehörte jahrelang zu den
Scharfmachern. Susanne GASCHKE hatte ich
bereits im Jahre 2003 vehement wegen der Vernachlässigung der
Spätgebärenden der Generation Golf angegriffen. Mit ihrem Buch
Die Emanzipationsfalle legte sie sogar noch nach. Seit Oktober
existiert also die schizophrene Situation, dass die Online-Zeit
sozusagen die Print-Zeit dementiert. Diese erstaunliche
Praxis erregte die Medienlandschaft bislang überhaupt nicht. Es
herrscht stillschweigende Duldung dieser Situation. |
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November 2005
Die Große Koalition wird zukünftig Deutschland regieren und damit
ist für mich klar, dass sich auch die bisherigen Fronten in der
Familienpolitik verändern werden. Es ist also höchste Zeit Bilanz zu
ziehen. Was eignet sich dazu besser als ein Buch, das den Stand der
bisherigen Debatte zusammenfasst und auf die veränderte Situation
reagiert?
Außerdem
ist für mich klar, dass mein Experiment der Medienbeobachtung mit
dem Erscheinen des Buches in der bisherigen Form abgeschlossen ist.
Die
Frage lautet nun: Wer publiziert solch ein Buch in Deutschland? Da
ich für eine zeitaufwendige Suche nach einem renommierten Verlag
keine Zeit hatte, habe ich mich für eine Veröffentlichung auf
eigenes Risiko bei Books on Demand entschlossen. |
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März 2006
Das Buch wäre eigentlich rechtzeitig zur
SCHIRRMACHER-Debatte auf den Markt gekommen, wenn es nicht zu
einigen unvorhergesehenen Verzögerungen gekommen wäre. Ende März
sind dann die vertraglichen Angelegenheiten endlich geregelt und das
Buch ist auf dem Weg. |
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18.
Mai 2006 Ich treffe mich zum
Interview mit einer Journalistin. Es
war Zufall, dass mich ihre Anfrage gerade erreichte als mein
Manuskript fertig war und das Erscheinen des Buches sicher gestellt
ist. Die Journalistin hat mein Buch gelesen, aber doch sehr
selektiv. Sie präsentiert sich mir als meine vermeintliche
Zielgruppe: die allein lebende Karrierefrau der Generation Golf.
Die Fragen laufen entsprechend in die falsche Richtung.
Mein
Anliegen ist schließlich viel weiter gefasst. Mir geht es in erster
Linie um jene Single-Gruppen, die in der Debatte ausgeblendet
werden. Dazu gehört die allein lebende Karrierefrau der
Generation Golf ganz sicherlich nicht - im Gegenteil. Sie
bestimmt inzwischen das Single-Bild der Republik. Das hat m. E.
fatale Folgen, denn quantitativ gesehen ist der Anteil dieser Gruppe
an den Single-Haushalten doch eher bescheiden. Im mittleren
Lebensalter dominieren die Singlemänner und bei den älteren
Alleinlebenden die Frauen. Der Buchtitel Die Single-Lüge ist
auch auf diesen Sachverhalt gemünzt.
Selbst
hinter der Verteidigung der Generation Golf gegenüber Susanne
GASCHKE steht ja die Tatsache, dass der Anteil der kinderlosen
Karrierefrau in seiner gesamtgesellschaftlichen Bedeutung
überschätzt wird. Es handelt sich deshalb keineswegs um die
Verteidigung eines Single-Lebensstils.
Wenn
mir die Organisation von berechtigten Singleinteressen erforderlich
erscheint, dann sind damit nicht Gruppen wie No kidding! gemeint.
Die Richtung weist stattdessen die Vision
Deutschland im Jahr 2030.
Das
Interview wird nicht erscheinen. Die Geschichte soll allen
denjenigen als Warnung dienen, die in mir unbedingt den Vorkämpfer
für einen Single-Lebensstil sehen wollen. |
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26.
Mai 2006 Der Verlag Books on
Demand hat das Buch Die Single-Lüge ins Programm
aufgenommen und ab sofort gibt es
hier Informationen zum Buch. Bei
Libri
kann das Buch auch bereits bestellt werden. |
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28.
Mai 2006 Anfang Mai habe ich eine
Anfrage vom Berliner Tagesspiegel erhalten, ob ich bei einer
Themenausgabe zum demografischen Wandel mitmachen würde. Ich
habe zugesagt. Das Ergebnis ist heute auf der Medienseite unter der
Schlagzeile
Man sollte nicht die Kinderlosen missionieren zu lesen. |
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08.
Juni 2006 Kaum ist mein Buch auf
dem Markt, da darf Björn SCHWENTKER erstmals in der Print-Zeit
über die Demografie-Debatte schreiben.
Aussterben abgesagt heißt die Schlagzeile des ersten Teils
einer vierteiligen Serie über die Kinderlosigkeit in Deutschland.
Alles nur Zufall? |
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14. Juni 2006
Punkt für Punkt bestätigt Björn SCHWENTKER in der Print-Zeit
unter der Schlagzeile
Pokerspiele an der Wiege, dass meine Kritik an der
Demografiedebatte, die im Buch Die Single-Lüge nachlesbar
ist, berechtigt war.
Es
erscheint mir jedoch wie Hohn, wenn am gleichen Tag, an dem das
Elterngeld von der Bundesregierung beschlossen wird, die bisherigen
bevölkerungspolitischen Begründungen des Elterngeldes als falsch
ausgewiesen werden.
SCHWENTKER
sieht die deutsche Familienpolitik "im Blindflug". Bei seiner
Begründung der mangelhaften Datenlage macht er es sich jedoch
entschieden zu einfach, wenn er allein dem Bundesrat den schwarzen
Peter zuschiebt.
Schließlich
hatte auch die Zeit und die restliche Mitte-Presse keinerlei
Interesse an einer sachlichen Debatte über die lebenslange
Kinderlosigkeit in Deutschland. Erst im letzten Abschnitt bringt
SCHWENTKER das Problem auf den Punkt, wenn er fragt:
"Ist es bloßer Zufall, dass alle
gestrichenen Fragen in irgendeiner Weise mit der Auflösung des
traditionellen ehelichen Familienbildes zu tun haben?"
In meinem Buch zeige ich detailliert die
Normativität der amtlichen Statistik auf, die ich als Ausdruck des
Elitenkonsens betrachte. Dies hat nichts mit Verschwörungstheorien
zu tun, sondern mit Schnittmengen, die sich selbst im Kampf der
Lebensstile immer wieder finden. Im Buch habe ich diese
Schnittmengen anhand eines übersichtlichen Schaubildes aufgezeigt.
Wäre
der heutige Zeit-Artikel von SCHWENTKER auch ohne die
Aufklärungsarbeit von single-dasein.de und
single-generation.de erschienen? Möglicherweise, aber wohl kaum
in dieser Form!
Nirgendwo
- außer auf meinen Websites - war bisher zu lesen, dass die
Kinderlosigkeit der Akademikerinnen seit den 70er Jahren
zurückgegangen ist.
Diese Aussage des Soziologen Hans BERTRAM fand sich in der
Bosch-Publikation Starke Familie und war den Medien
verständlicher Weise keine einzige Meldung wert, obwohl es sich
eigentlich um eine Sensation gehandelt hätte.
Nun
wird diese Aussage von SCHWENTKER als Teil eines Verwirrspiels um
das Gebärverhalten deutscher Akademikerinnen gedeutet. Von einem
Verwirrspiel kann aber angesichts der "gleichgeschalteten"
Berichterstattung in den Medien keine Rede sein.
Das
von SCHWENTKER angeprangerte Datenproblem ist ja kein wirklich neues
Problem. Warum forderte z.B. die Zeit nicht bereits im April
2001 angesichts des Pflegeurteils des Bundesverfassungsgerichts eine
bessere Datenlage?
Merkwürdigerweise
durfte damals der nationalkonservative Bevölkerungswissenschaftler
Herwig BIRG unwidersprochen behaupten, dass die lebenslange
Kinderlosigkeit des Jahrgangs 1965 (Generation Golf) bei 33 % läge,
obwohl es bereits damals stichhaltige Daten gab, die dem
widersprachen.
Im
Jahr 2003 wiederholte die Zeit-Redakteurin Susanne GASCHKE
diese Behauptung von Herwig BIRG - auch wieder unwidersprochen.
Nur
auf single-dasein.de und single-generation.de war
damals eine
Entgegnung zu lesen. Die taz lehnte eine Veröffentlichung
ab, weil es angeblich keine Belege gegeben habe. Ulrike WINKELMANN,
die mir damals schrieb, revidierte keine 2 Jahre später ihre Meinung
(Auf
Wiedersehen, Kinder vom 13.09.2003;
Nachwuchssorgen seit 125 Jahren vom 21.01.2005).
Es
spricht nicht gerade für die Debattenkultur dieses Landes, dass
unliebsame Fakten von den Medien einfach unterdrückt werden. Die
Geschichte dieser Unterdrückung ist jetzt im Buch Die Single-Lüge
nachzulesen. |
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27. Juni 2006
Frank SCHIRRMACHER, gerade
von der taz mit einem umfangreichen Dossier geehrt,
bietet wieder einmal dem nationalkonservativen
Bevölkerungswissenschaftlicher Herwig BIRG Gelegenheit, um seine
oftmals wiederholten Sätze noch ein weiteres Mal zu wiederholen.
Unser
Verschwinden würde gar nicht auffallen heißt der morgige
FAZ-Beitrag, in dem 13 Legenden über die demografische
Entwicklung in Deutschland richtig gestellt werden sollen.
Leider
suche ich vergebens eine einzige aktuelle Zahl, mit der sich BIRG
konkret auseinandersetzen würde. Die
Zeit-Serie von Björn SCHWENTKER hätte dazu genügend
Material geboten.
In
meinem Buch Die Single-Lüge wird detailliert dargelegt, wie
BIRG mit veralteten oder uneindeutigen Zahlen operiert. BIRGs
taktische Manöver werden als Teil der nationalkonservativen
Strategie eingeordnet. Nicht zuletzt wird eine Gegenstrategie
vorgeschlagen, mit der diese Taktik durchkreuzt werden könnte. |
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17. Juli 2006
In der
morgigen Tagesspiegel-Ausgabe fordert Daniel DETTLING eine
umfassende Volkszählung. Er begründet dies u.a. damit, dass wir
nichts über die Kinderlosigkeit der
Akademikerinnen wüssten:
"Hatte das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung vor wenigen Wochen noch eine Quote von 25
Prozent genannt und damit die Zahl der Bundesregierung von 40
Prozent erheblich nach unten korrigiert, veröffentlichte das
Bundesamt für Statistik unmittelbar danach in seinem Mikrozensus
eine Quote von 30 Prozent. Das Bundesamt befragte jedoch nur
Personen nach Kindern, die zum Zeitpunkt der Umfrage in ihrem
Haushalt leben. Frauen, deren Kinder das Haus bereits verlassen
haben, gelten demnach für die Zähler ebenfalls als »kinderlos«."
Sowohl die Volkszählung als auch der
Mikrozensus beruhen auf einem Haushaltsansatz. Ohne
Konzeptänderungen würden also auch bei der Volkszählung nur
unbrauchbare Daten erhoben werden.
Wir
haben es hier keineswegs nur mit einem Problem veralteter Daten zu
tun, wie DETTLING behauptet, sondern bereits die Definition des
Begriffs Kinderloser ist das Problem.
Dass
die Kinderlosenzahl im Mikrozensus überschätzt wird, ist wahrlich
kein neues Faktum. Die Probleme der Erfassung der Kinderlosigkeit in
Deutschland werden ausführlich in meinem Buch Die Single-Lüge
dargestellt. Es wird auch darauf eingegangen, warum es bislang gar
nicht im Interesse der Politik war, die Verbreitung der
Kinderlosigkeit zu erfahren.
Man
hätte z.B. niemals das Pflegeurteil des Bundesverfassungsgericht
vom April 2001 durchbringen können, das auf zu hoch angenommenen
Kinderlosenzahlen beruht. In meinem Buch wird belegt, dass dies
damals durchaus schon bekannt war.
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19. Juli 2006
Das Statistische
Bundesamt veröffentlichte heute zwar die vorläufigen Ergebnisse
unter der Schlagzeile
Bevölkerung im Jahr 2005 leicht gesunken, aber nicht die
Anzahl der Geburten im Jahr 2005.
Eine
durchaus merkwürdige Praxis, aber
single-dasein.de wollte es genauer wissen. Die
Geburtenzahlen sind nämlich bereits veröffentlicht. Sie befinden
sich jedoch versteckt auf den Seiten des Statistischen Bundesamtes
in einer Exceltabelle mit der Bezeichnung
Natürliche Bevölkerungsentwicklung ab 1946 bis
2005 (Excel / 57 KB),
die
hier downloadbar ist.
Nach
den vorläufigen Ergebnissen wurden 685.784
Geburten im Jahr 2005
registriert.
Möglicherweise
erinnert sich noch jemand an das
Spektakel mit dem im März dieses Jahres das Pamphlet "Minimum" von
Frank SCHIRRMACHER auf den Buchmarkt geworfen wurde. Die Welt
präsentierte extra zu diesem Zweck die angeblich neuesten
Geburtenzahlen:
"Nach Prognosen des Statistischen
Bundesamtes kamen 2005 nur rund 676 000 Kinder auf die Welt.
Gegenüber dem Vorjahr, als es noch knapp 706 000 Geburten waren,
würde das ein Minus von über vier Prozent bedeuten - es wäre der
gewaltigste Einbruch der letzten 15 Jahre",
verkündigten
Uwe MÜLLER & Joachim PETER am 14. März und auch die so genannte
Qualitätspresse druckte die Meldung ohne jegliche Überprüfung nach,
weil sie so schön zum Buch passte.
Die
jetzigen ca. 686.000 Babys liegen also wesentlich höher. Dies dürfte
einer Geburtenrate entsprechen, die bei ca. 1,34 liegt, wenn man der
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 17.03.2006
glauben darf.
Damit
wäre die Geburtenrate - trotz der unsäglichen Debatte um das
Elterngeld, die eher zu Geburtenaufschüben geführt haben dürfte -
höher als in den Jahren 1991 - 1996. Sie würde auf dem Niveau der
Jahre 2002/2003 liegen.
Die
Geburtenentwicklung ist also keineswegs so dramatisch wie das noch
im Frühjahr dieses Jahres in den deutschen Medien dargestellt wurde.
Das
Buch
Die Single-Lüge
klärt darüber auf, warum Politik, Wissenschaft und Medien keinerlei
Interesse an einer fairen Berichterstattung über die
Geburtenentwicklung haben und warum das kontraproduktiv ist. |
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11. August 2006
Falscher Alarmismus tönt der
Soziologe Ulrich BECK heute in der Süddeutschen Zeitung im
Hinblick auf den methodologischen Nationalismus der
"Nabelschau-Demographie". Aber gibt es einen richtigen Alarmismus?
Reicht es den kosmopolitischen Blick zu beschwören, um dem
Nationalkonservatismus Einhalt zu gebieten?
Ulrich
BECK hat
Anfang der 90er Jahre die Single-Rhetorik in Deutschland
popularisiert. Mittlerweile ist aus der Single-Rhetorik ein
falsches Bewusstsein der Singles und der Nicht-Singles entstanden.
Die politische Ideologie, die der Mobilisierung der Nicht-Singles
dienen sollte, ist längst aus dem Ruder gelaufen.
Es
reicht deshalb nicht mehr aus, einfach nur einen kosmopolitischen
Blick zu beschwören. Wer als Soziologe jetzt nicht der Single-Lüge
Einhalt gebietet, muss sich vorhalten lassen, dass er sich an der
Entstehung genau jener Zustände mitschuldig ist, die er
vordergründig kritisiert.
Bislang
gibt es nur wenige Soziologen, die der Single-Lüge entgegen treten.
So kritisiert der Soziologe
Karl Otto HONDRICH den Tanz ums goldene Kalb der
Bestandserhaltungszahl.
Die
Soziologin
Michaela KREYENFELD hat nachgewiesen, dass die zusammengefasste
Geburtenziffer (kurz: Geburtenrate) in Zeiten des steigenden
Erstgebäralters und der Zunahme außerehelicher Geburten kein
ausreichender Hinweis mehr auf steigende lebenslange Kinderlosigkeit
ist.
Der
Soziologe
Norbert F. SCHNEIDER zeigt auf, dass die steigende Zahl der
Single-Haushalte nicht gleich zu setzen ist mit Bindungslosigkeit.
Vielmehr führt der Zwang zur beruflichen Mobilität zu neuen
Bindungsformen wie den
Fernbeziehungen.
Im
Buch Die Single-Lüge werden die Gewissheiten der
traditionellen Soziologie
wie sie z.B. von Ulrich BECK vertreten wird, mit Ergebnissen der
modernen Sozialforschung
konfrontiert, die sich nicht vom Schein der amtlichen Statistik
blenden lässt, sondern die gelebten Bindungen erforscht.
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15. August 2006
Die zweite Veröffentlichung des Statistischen
Bundesamtes zur Geburtenentwicklung im Jahr 2005 setzt die
singlefeindliche Veröffentlichungspraxis fort. Single-dasein.de
berichtet über die
Reaktionen der Presse. |
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28. August 2006
Ist Deutschland noch zu retten?
fragt heute die FAZ und lässt den
nationalkonservativen Bevölkerungswissenschaftler Herwig BIRG gegen
den Nationalökonom
Albrecht MÜLLER antreten.
BIRG
versucht mit seinem statistischen Wissensvorsprung zu punkten.
Single-dasein.de berichtet
hier exklusiv darüber, wo der Knackpunkt dieser - nur scheinbar
bestechenden - nationalkonservativen Argumentation ist.
Albrecht
MÜLLER hat sich für die Kinderlosen stark gemacht, was in diesen
Zeiten nicht zu gering zu bewerten ist:
"Wenn ich heute
einen Verein gründen wollte, dann als kinderreicher Vater den
»Verein der Kinderlosen«, um richtig aufzuräumen mit denen, die
unentwegt über Kinderlose herfallen".
Wer jene sind,
die unentwegt über Kinderlose herfallen, das wird im Buch Die
Single-Lüge ausführlich dargelegt. |
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02.
September 2006
Gestern fragte
Peter LEUSCH in einem Feature des DeutschlandRadio
Zeugungsstreik in Deutschland? Warum aus Männern keine Väter werden.
Dort heißt es:
"Nach der jüngst veröffentlichten Studie des
Bundesinstituts für Bevölkerungswissenschaft in Zusammenarbeit mit
der Bosch-Stiftung - Titel: ‚Kinderwünsche in Deutschland’ -
wollen jeder vierte Mann und jede siebte Frau in der
Bundesrepublik kinderlos bleiben. Damit halten die Deutschen einen
europäischen Negativrekord - wobei die gewollte Kinderlosigkeit in
den westlichen Bundesländern noch ausgeprägter ist als im Osten."
Worüber regt
sich LEUSCH hier eigentlich auf?
Im
Jahr 2001 wurde das Pflegeurteil des
Bundesverfassungsgerichts
damit begründet, dass in Deutschland angeblich 33 % lebenslang
kinderlos seien! Diese Zahlen waren damals bereits unglaubwürdig und
sind es heute noch mehr. Warum gibt es hierzu keine Überprüfung? Wer
verhindert, dass die tatsächlichen Zahlen in die Öffentlichkeit
kommen? Sozialwissenschaftliche Studien von
Christian SCHMITT zeigen z.B. dass die Kinderlosigkeit in
Deutschland zurzeit bei ca. 25 % liegt. Wer stoppt also den Betrug
an den Kinderlosen?
Welcher
Zusammenhang besteht
jedoch zwischen Kinderwunsch und Kinderlosigkeit?
Die Literatur lässt uns da doch sehr im Stich.
Die
Befragten sind in den Kinderwunschstudien ja keine Kinderlosen,
sondern es werden alle Personen, z.B. im Alter zwischen 20 und 65
Jahren befragt, wie in der Kinderwunschstudie des
Jahres 2005.
Wenn
also jede siebte Frau in Deutschland kinderlos bleiben will, heißt
das wirklich, dass sie kinderlos ist oder dass sie nur kein weiteres
Kind mehr haben will? Hat sie etwa schon drei Kinder geboren und
will kein viertes mehr? Die Zahlen, die LEUSCH präsentiert, sind
doch recht armselig. Sie wollen dramatisieren, aber nicht aufklären!
Ein
weiterer Punkt ist: es macht einen Unterschied, ob jemand mit 20
oder mit 65 Jahren sagt, er wolle kein Kind. Wie hoch ist die
Wahrscheinlichkeit, dass sich bei jemanden, der mit 20 in einer
Befragung aussagt, dass er kein Kind bekommen möchte, dass am Ende
tatsächlich die lebenslange Kinderlosigkeit steht? Wo bitte sind
diese Fakten?
In
Deutschland werden wir seit Anfang der 90er Jahre mit der
Single-Rhetorik
bombardiert. Jahrzehntelang wurde den Singles eingeredet, sie seien
die Mehrheit und die Familie eine Minderheit.
Ist
es da -
angesichts dieser
Single-Lüge - ein
Wunder, dass nun die Befragungen zeigen, dass die politische
Demagogie erfolgreich war?
In
dem Buch Die Single-Lüge wird aufgezeigt, welche Interessen
für die gegenwärtige Situation verantwortlich sind.
In
der österreichischen Zeitung Der Standard berichtet heute
Beatrice UERLINGS über einen US-Trend:
Lieber Hausfrau als Karrieristin. Frauen steigen aus guten Jobs aus
und bleiben zu Hause. Diese Story hat mittlerweile
mindestens einmal in jeder Mitte-Postille gestanden.
Im
Buch Die Single-Lüge wird beschrieben, warum die
refeudalisierte Hausfrauenfamilie
im Trend liegt.
Man
mag derzeit das Buch
Das Eva-Prinzip von Eva HERMAN in den
Medien einhellig zerreißen. Eva HERMAN mag nicht so clever sein, wie
Katharina RUTSCHKY meint, aber auch wenn HERMAN untergeht, so wird
das Thema weiter auf der Agenda bleiben.
Was
man HERMAN absprechen mag, aber Frank SCHIRRMACHER oder Norbert BOLZ
ganz sicherlich nicht, nämlich aufmerksamkeitsökonomischen Instinkt
zu haben und diesen auch publicitywirksam umzusetzen, das zeigt
allein, dass das Thema Hausfrauenfamilie Zukunft hat. Mehr noch als
SCHIRRMACHER hat Norbert BOLZ die Hausfrauenfamilie in den
Mittelpunkt seines neuen Buches gestellt.
Es
darf jedoch sehr wohl gefragt werden, ob die alte mit der neuen
Hausfrauenfamilie - angesichts der gesellschaftlichen
Strukturveränderungen - noch viel zu tun hat.
Das
Buch Die Single-Lüge zeigt auf, dass die 50er Jahre
Hausfrauenfamilie nichts mit der neuen
Hausfrauenfamilie der neuen Mitte
zu tun hat. Schon allein die Bildungsexpansion und der Wandel von
der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft hat die Bedingungen
grundlegend verändert... |
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25.
September 2006
Der Soziologe Franz-Xaver KAUFMANN
darf anlässlich des Ende September stattfindenden zweiten
«World Ageing & Generations Congress» der
World
Demographic Association in der heutigen Ausgabe der Neuen
Zürcher Zeitung unter der Überschrift Wenn der Nachwuchs
ausbleibt und die Gesellschaft schrumpft, seine Position
darlegen.
KAUFMANN
sieht im Geburtenrückgang das gesellschaftliche Hauptproblem der
vergreisenden Gesellschaft. Im Buch Die Single-Lüge wird
diese Sichtweise als nationalkonservatives Paradigma beschrieben.
"Die demographische Entwicklung in der Schweiz
ähnelt derjenigen Deutschlands. Auch hier setzte der
Geburtenrückgang schon Mitte der sechziger Jahre ein, zweifellos
im Zusammenhang mit der Verbreitung effektiverer Kontrazeptiva. Auch
hier wurde der Geburtenrückgang durch die Zuwanderung überlagert:
Die einheimische Bevölkerung bringt es in beiden Ländern
mittlerweile nur noch durchschnittlich auf 1,1 bis 1,2 Kinder pro
Frau, die ausländische Bevölkerung dagegen auf 1,8 bis 1,9 Kinder -
allerdings mit grossen nationalen Unterschieden. Weil der Anteil der
Zuwanderung in der Schweiz noch grösser als in Deutschland ist,
fällt die schwache Fertilität der Schweizerinnen weniger auf, und
auch die Perspektiven der gesamten Bevölkerungsentwicklung sind
nicht so dramatisch",
schreibt KAUFMANN.
Frankreich
gilt Nationalkonservativen als Vorzeigeland, weil dort angeblich
noch ein ungebrochenes Verhältnis der Bevölkerung zur
Bevölkerungspolitik herrscht. Dies gelingt ihnen jedoch nur mit
einem bevölkerungsstatistischen Kniff. In Frankreich zählen
Kolonialfranzosen, z.B. aus Nordafrika, als Einheimische, weshalb
die Geburtenrate der Franzosen höher erscheint als die der Deutschen
oder Schweizerinnen.
Ein
Blick von single-generation.de in französische Bücher
offenbart - anders als die verzerrte deutsche Sicht dies vermuten
ließe - dass die Familiennation Frankreich mit ähnlichen Problemen
zu kämpfen hat. Jean-Claude GUILLEBAUDs Buch
Die Tyrannei der Lust und Jean-Claude KAUFMANNs neues Buch
Kochende Leidenschaft dokumentieren die
Auflösungserscheinungen in Frankreich. Wenn der französische
Soziologe KAUFMANN die Mahlzeit als letztes Bollwerk gegen die
Auflösung der Familie beschwört und den bewussteren Umgang der
Deutschen mit Ernährungsfragen lobt, dann zeigt sich, dass der
angeblich deutsche demografische Sonderweg nur im europäischen oder
gar globalen Kontext verständlich wird. Der Soziologe Karl Otto
HONDRICH bietet deshalb
einen anderen Blick auf den demografischen Wandel.
Der
österreichische Historiker Josef EHMER hat in seinem
Buch zur Bevölkerungsgeschichte zudem darauf hingewiesen, dass
der von Franz-Xaver KAUFMANN behauptete enge Zusammenhang zwischen
Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung nicht einmal historisch
nachweisbar ist. |
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26.
Oktober 2006
Die Chefredakteurin der Zeitschrift Das Magazin, Manuela
THIEME, hat mich im Oktober zur Single-Frage interviewt. Es ging
dabei um die wissenschaftlichen Fehleinschätzungen zum Thema Single
(mehr
hier). In der Novemberausgabe des Magazins findet sich nun der
Beitrag Single-Geklingel, in dem mein Kampf "für die
Korrektur der Single-Lüge" beschrieben wird. Das Buch Die
Single-Lüge wird von THIEME als hochinteressante Polemik mit
akademischem Grundton charakterisiert. Für die
Zeitschriftenumschau der Berliner Tageszeitung taz hat
Alexander CAMMANN die Titelgeschichte Glücklich allein? des
Magazins bereits am 24. Oktober in den Kontext der von Frank
SCHIRRMACHER angestoßenen Debatte um die ostdeutschen Singlemänner
gestellt. |
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20.
November 2006
Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat gleich zwei Hefte
der Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft herausgebracht,
in denen sich neue Zahlen zur Geburtenentwicklung finden.
Im
Heft 4/2005 beschäftigt sich der Bevölkerungswissenschaftler Jürgen
DORBRITZ mit
Kinderlosigkeit in Deutschland und Europa - Daten, Trends und
Einstellungen.
Was bei single-dasein.de
bereits am 7. November zu lesen war, das wird nun auch von
DORBRITZ bestätigt.
Der
Anteil der lebenslang Kinderlosen des westdeutschen Frauenjahrgangs
1965 liegt offenbar wesentlich niedriger wie von Herwig BIRG
geschätzt. Statt ein Drittel, bleibt höchstens ein Viertel
lebenslang kinderlos. Die Kinderlosigkeit der ostdeutschen Frauen
ist sogar noch niedriger, wobei sich hier zeigt, dass die bisherigen
Berechnungsmethoden der Bevölkerungswissenschaftler bei jungen
Frauen nicht mehr anwendbar sind. Dieses Desaster zeichnete sich
jedoch schon seit längerem ab.
Auch
der Beitrag
Die demographische Lage in Deutschland 2005 von Evelyn
GRÜNHEID bestätigt, dass der Vorwurf der Single-Lüge durchaus
berechtigt ist. Single-generation.de hat sich deshalb
ausführlich mit der Analyse von GRÜNHEID beschäftigt
(mehr
hier). |
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19.
März 2007
Sehr geehrter Herr Ernst,
Sie möchten in
Ihrem Editorial zur Titelgeschichte über das Alleinleben (Psychologie
Heute, April 2007) Verständnis für Singles wecken? Dann
publizieren Sie bitte keine falschen Zahlen mehr zur Verbreitung der
Alleinlebenden.
Weder
lebt die Mehrheit in den Großstädten allein (es sind nur ca. ein
Drittel), noch lebt ein Drittel der volljährigen Deutschen allein
(es sind nicht einmal ein Fünftel). Der aktuelle Bericht zur
demographischen Lage in Deutschland 2005 berichtet gar von einer
rückläufigen Entwicklung der Single-Haushalte - insbesondere in
westdeutschen - Großstädten:
"Der Anteil der
Haushalte, die sich in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern
befinden, hat sich seit 1991 verringert. Hier haben sich die
erheblichen Strukturveränderungen zugunsten kleinerer Haushalte -
vor allem in den westdeutschen Großstädten - bereits vor 1991
vollzogen." (2006,
S.83)
Indem Sie die
Anzahl der Alleinlebenden übertreiben, bedienen sie genau jene
Ängste, die auch Familienpolitiker mit ihrer Single-Rhetorik
schüren, um den Druck und Rechtfertigungszwang auf Alleinlebende zu
erhöhen. Der Soziologe Stefan HRADIL, der ein Standardwerk zur
Sozialstruktur in Deutschland verfasst hat, hat sich folgendermaßen
dazu geäußert:
"Bedenkt man,
dass selbst die (....) weiteste Definition zum Ergebnis kommt, dass
weniger als ein Zehntel der Einwohner Deutschlands Singles sind, so
erweisen sich viele schrillen Pressemeldungen als Unsinn: »Schon ein
Drittel der Deutschen sind Singles« schrieb einmal die renommierte
Süddeutsche Zeitung in einer dreispaltigen Überschrift. Hier wurde,
wie so oft, der Anteil der Einpersonenhaushalte an allen Haushalten
Deutschlands (ca. 37 %) mit dem
Anteil der Singles an allen Personen Deutschlands verwechselt.
Es wurde nicht berücksichtigt, dass in dem guten Drittel der
Privathaushalte in Deutschland, in dem jeweils nur eine Person lebt,
viel weniger als ein Drittel aller Menschen wohnen, nämlich ca. 16
%." (2006,
S.80f.)
Sie stellen
richtig heraus, dass die angebliche Zunahme der Bindungslosigkeit
die gestiegene Zahl der Einpersonenhaushalte nicht erklären kann.
Bei den
Alleinlebenden handelt es sich zum einen nicht unbedingt um
Partnerlose, zum anderen unterscheidet sich die Lebenssituation von
Studenten, Berufsanfängern, Geschiedenen und älteren Menschen, deren
Partner gestorben ist, erheblich.
Die
Titelgeschichte von Susie REINHARDT ist in dieser Hinsicht jedoch
unterkomplex und bleibt leider auch hinter dem aktuellen Stand der
Wissenschaft zurück.
Wer
nicht-eheliche Lebensgemeinschaften heutzutage noch zu den
unkonventionellen Lebensformen zählt, dessen Bewertungskriterien
stammen offensichtlich aus den 1950er und 1960er Jahren. Es stimmt
auch nicht, dass diese Lebensform nicht von der amtlichen Statistik
erfasst wird. Richtig ist jedoch, dass die Erfassung unzulänglich
ist.
Ob
die Zahl der
Partnerlosen steigt, das ist keinesfalls sicher. Es gibt
repräsentative Studien, wonach die steigende Zahl der
Einpersonenhaushalte keineswegs mit einer Zunahme der Partnerlosen
einher geht. Stattdessen deuten die modernen Paarformen ohne
gemeinsamen bzw. mit getrenntem Haushalt darauf hin, dass die
Vereinbarkeit von Beruf und Partnerschaft aufgrund der modernen
Arbeitswelt und der Emanzipation der Frau schwieriger geworden ist,
aber weiterhin das Paar/die Familie und nicht der Single das Ideal
ist.
Es gibt sogar Hinweise darauf, dass moderne Paarformen stabiler sein
könnten als die Ehe.
Im
Gegensatz zur von REINHARDT zitierten
Studie einer Forschungsgruppe um den Sexualwissenschaftler Gunter
SCHMIDT, deren Repräsentativität sich nur auf norddeutsche
Großstädte mit überwiegend protestantischer Bevölkerung bezieht,
kommt eine repräsentative Konstanzer Längsschnittuntersuchung
hinsichtlich der seriellen Monogamie für die 16-35Jährigen zum
Ergebnis:
"Vergleichen wir die Befunde mit
anderen Studien, so zeigt sich vor allem, daß die Anzahl der
Partnerschaften der untersuchten Jugendlichen im Vergleich zu
früheren Kohorten geringfügig gestiegen ist. Was die Dauer betrifft,
so sind über den gesamten beobachteten Zeitraum, dies sind immerhin
19 Jahre, nur fünf Prozent der Männer und vier Prozent der Frauen
dauerhaft Single. Damit hatten nahezu 95 Prozent der Befragten
mindestens einen Partner." (2007,
S.184)
Bei den Gründen
für den Single-Trend vermisse ich die zunehmende Langlebigkeit (Der
Trend zur Langlebigkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit von
Single-Phasen), die veränderten Muster der Partnerwahl (Der Trend zu
Beziehungen Gleichaltriger bei Angleichung der Lebenserwartung der
Geschlechter führt zur relativen Abnahme der älteren
Alleinlebenden), die Regelungen des Scheidungsrechtes (Geschiedene
Männer sind häufiger Alleinlebende, weil immer noch öfter die Kinder
der Frau zugesprochen werden) und die unterschiedliche Entwicklung
in West- und Ostdeutschland (die nachholende Modernisierung im Osten
führt zu steigenden Single-Haushalten).
Unerwähnt
bleibt, dass spätestens seit den 90er Jahren zunehmend Männer einen
Einpersonenhaushalt führen. Im Jahr 1972 lebten 13,4 % der
erwachsenen Frauen im Einpersonenhaushalt, aber nur 5,9 % der
Männer. Während sich der Anteil der Männer bis zum Jahr 2003 auf
15,4 % fast verdreifachte, erhöhte sich der Anteil der Frauen gerade
einmal auf 19,2 % (mehr).
Wo bleibt also die überfällige Titelgeschichte über das männliche
Alleinleben?
Wenn
von Susie REINHARDT vor allem die Wahlfreiheit als Beziehungshürde
hervorgehoben wird, dann erscheint mir das angesichts der
Hartz-Gesetze mit ihren Zumutungen für Singles doch etwas weltfremd.
Nicht zunehmende Optionen, sondern neue Zwänge prägen das
Alleinleben von vielen jungen Erwachsenen und Arbeitnehmern.
Mit freundlichen
Grüßen
Bernd Kittlaus |
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