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Tagebuch einer Buchveröffentlichung

2006 - 2007


2005 

Irgendwann im Laufe des Jahres 2005 stellte ich fest, dass sich in der öffentlichen Debatte um den demografischen Wandel plötzlich Positionen fanden, die bislang nur auf meinen Websites vertreten wurden.
          
 Dies fing an mit einem Cicero-Artikel des Soziologen Karl-Otto HONDRICH im August. Der Frankfurter Soziologe griff die Gefahrenbeschwörungsgemeinschaft an (ich nenne das nationalkonservatives Paradigma) und griff dabei auf ein Alternativszenario zurück, das ich bereits im Jahr 2002 entwickelt hatte. Ich hatte damals darauf hingewiesen, dass ein solches Szenario die Debatte versachlichen würde. Seit März 2006 gibt es dazu noch ein weiteres Szenario von Jürgen VOß.
          
 Am 9. Oktober schrieb dann der Wissenschaftsjournalist Björn SCHWENTKER plötzlich für die Zeit-Online, dass die Zahlen der 40 % kinderlosen Akademikerinnen falsch seien. Man muss sich das vorstellen. Die Print-Zeit gehörte jahrelang zu den Scharfmachern. Susanne GASCHKE hatte ich bereits im Jahre 2003 vehement wegen der Vernachlässigung der Spätgebärenden der Generation Golf angegriffen. Mit ihrem Buch Die Emanzipationsfalle legte sie sogar noch nach. Seit Oktober existiert also die schizophrene Situation, dass die Online-Zeit sozusagen die Print-Zeit dementiert. Diese erstaunliche Praxis erregte die Medienlandschaft bislang überhaupt nicht. Es herrscht stillschweigende Duldung dieser Situation.


November 2005

Die Große Koalition wird zukünftig Deutschland regieren und damit ist für mich klar, dass sich auch die bisherigen Fronten in der Familienpolitik verändern werden. Es ist also höchste Zeit Bilanz zu ziehen. Was eignet sich dazu besser als ein Buch, das den Stand der bisherigen Debatte zusammenfasst und auf die veränderte Situation reagiert?
          
 
Außerdem ist für mich klar, dass mein Experiment der Medienbeobachtung mit dem Erscheinen des Buches in der bisherigen Form abgeschlossen ist.
          
 
Die Frage lautet nun: Wer publiziert solch ein Buch in Deutschland? Da ich für eine zeitaufwendige Suche nach einem renommierten Verlag keine Zeit hatte, habe ich mich für eine Veröffentlichung auf eigenes Risiko bei Books on Demand entschlossen.


März 2006

Das Buch wäre eigentlich rechtzeitig zur SCHIRRMACHER-Debatte auf den Markt gekommen, wenn es nicht zu einigen unvorhergesehenen Verzögerungen gekommen wäre. Ende März sind dann die vertraglichen Angelegenheiten endlich geregelt und das Buch ist auf dem Weg.


18. Mai 2006

Ich treffe mich zum Interview mit einer Journalistin. Es war Zufall, dass mich ihre Anfrage gerade erreichte als mein Manuskript fertig war und das Erscheinen des Buches sicher gestellt ist. Die Journalistin hat mein Buch gelesen, aber doch sehr selektiv. Sie präsentiert sich mir als meine vermeintliche Zielgruppe: die allein lebende Karrierefrau der Generation Golf. Die Fragen laufen entsprechend in die falsche Richtung.
          
 
Mein Anliegen ist schließlich viel weiter gefasst. Mir geht es in erster Linie um jene Single-Gruppen, die in der Debatte ausgeblendet werden. Dazu gehört die allein lebende Karrierefrau der Generation Golf ganz sicherlich nicht - im Gegenteil. Sie bestimmt inzwischen das Single-Bild der Republik. Das hat m. E. fatale Folgen, denn quantitativ gesehen ist der Anteil dieser Gruppe an den Single-Haushalten doch eher bescheiden. Im mittleren Lebensalter dominieren die Singlemänner und bei den älteren Alleinlebenden die Frauen. Der Buchtitel Die Single-Lüge ist auch auf diesen Sachverhalt gemünzt.
          
 
Selbst hinter der Verteidigung der Generation Golf gegenüber Susanne GASCHKE steht ja die Tatsache, dass der Anteil der kinderlosen Karrierefrau in seiner gesamtgesellschaftlichen Bedeutung überschätzt wird. Es handelt sich deshalb keineswegs um die Verteidigung eines Single-Lebensstils.
          
 
Wenn mir die Organisation von berechtigten Singleinteressen erforderlich erscheint, dann sind damit nicht Gruppen wie No kidding! gemeint. Die Richtung weist stattdessen die Vision Deutschland im Jahr 2030.
          
 
Das Interview wird nicht erscheinen. Die Geschichte soll allen denjenigen als Warnung dienen, die in mir unbedingt den Vorkämpfer für einen Single-Lebensstil sehen wollen.


26. Mai 2006

Der Verlag Books on Demand hat das Buch Die Single-Lüge ins Programm aufgenommen und ab sofort gibt es hier Informationen zum Buch. Bei Libri kann das Buch auch bereits bestellt werden.


28. Mai 2006

Anfang Mai habe ich eine Anfrage vom Berliner Tagesspiegel erhalten, ob ich bei einer Themenausgabe zum demografischen Wandel mitmachen würde. Ich habe zugesagt. Das Ergebnis ist heute auf der Medienseite unter der Schlagzeile Man sollte nicht die Kinderlosen missionieren zu lesen.


08. Juni 2006

Kaum ist mein Buch auf dem Markt, da darf Björn SCHWENTKER erstmals in der Print-Zeit über die Demografie-Debatte schreiben. Aussterben abgesagt heißt die Schlagzeile des ersten Teils einer vierteiligen Serie über die Kinderlosigkeit in Deutschland. Alles nur Zufall?


14. Juni 2006

Punkt für Punkt bestätigt Björn SCHWENTKER in der Print-Zeit unter der Schlagzeile Pokerspiele an der Wiege, dass meine Kritik an der Demografiedebatte, die im Buch Die Single-Lüge nachlesbar ist, berechtigt war.
          
 Es erscheint mir jedoch wie Hohn, wenn am gleichen Tag, an dem das Elterngeld von der Bundesregierung beschlossen wird, die bisherigen bevölkerungspolitischen Begründungen des Elterngeldes als falsch ausgewiesen werden.
          
 SCHWENTKER sieht die deutsche Familienpolitik "im Blindflug". Bei seiner Begründung der mangelhaften Datenlage macht er es sich jedoch entschieden zu einfach, wenn er allein dem Bundesrat den schwarzen Peter zuschiebt.
          
 Schließlich hatte auch die Zeit und die restliche Mitte-Presse keinerlei Interesse an einer sachlichen Debatte über die lebenslange Kinderlosigkeit in Deutschland. Erst im letzten Abschnitt bringt SCHWENTKER das Problem auf den Punkt, wenn er fragt:

"Ist es bloßer Zufall, dass alle gestrichenen Fragen in irgendeiner Weise mit der Auflösung des traditionellen ehelichen Familienbildes zu tun haben?"

In meinem Buch zeige ich detailliert die Normativität der amtlichen Statistik auf, die ich als Ausdruck des Elitenkonsens betrachte. Dies hat nichts mit Verschwörungstheorien zu tun, sondern mit Schnittmengen, die sich selbst im Kampf der Lebensstile immer wieder finden. Im Buch habe ich diese Schnittmengen anhand eines übersichtlichen Schaubildes aufgezeigt.
          
 Wäre der heutige Zeit-Artikel von SCHWENTKER auch ohne die Aufklärungsarbeit von single-dasein.de und single-generation.de erschienen? Möglicherweise, aber wohl kaum in dieser Form!
          
 Nirgendwo - außer auf meinen Websites - war bisher zu lesen, dass die Kinderlosigkeit der Akademikerinnen seit den 70er Jahren zurückgegangen ist. Diese Aussage des Soziologen Hans BERTRAM fand sich in der Bosch-Publikation Starke Familie und war den Medien verständlicher Weise keine einzige Meldung wert, obwohl es sich eigentlich um eine Sensation gehandelt hätte.
          
 Nun wird diese Aussage von SCHWENTKER als Teil eines Verwirrspiels um das Gebärverhalten deutscher Akademikerinnen gedeutet. Von einem Verwirrspiel kann aber angesichts der "gleichgeschalteten" Berichterstattung in den Medien keine Rede sein.
          
 Das von SCHWENTKER angeprangerte Datenproblem ist ja kein wirklich neues Problem. Warum forderte z.B. die Zeit nicht bereits im April 2001 angesichts des Pflegeurteils des Bundesverfassungsgerichts eine bessere Datenlage?
          
 Merkwürdigerweise durfte damals der nationalkonservative Bevölkerungswissenschaftler Herwig BIRG unwidersprochen behaupten, dass die lebenslange Kinderlosigkeit des Jahrgangs 1965 (Generation Golf) bei 33 % läge, obwohl es bereits damals stichhaltige Daten gab, die dem widersprachen.
          
 Im Jahr 2003 wiederholte die Zeit-Redakteurin Susanne GASCHKE diese Behauptung von Herwig BIRG - auch wieder unwidersprochen.
          
 
Nur auf single-dasein.de und single-generation.de war damals eine Entgegnung zu lesen. Die taz lehnte eine Veröffentlichung ab, weil es angeblich keine Belege gegeben habe. Ulrike WINKELMANN, die mir damals schrieb, revidierte keine 2 Jahre später ihre Meinung (Auf Wiedersehen, Kinder vom 13.09.2003; Nachwuchssorgen seit 125 Jahren vom 21.01.2005).
          
 Es spricht nicht gerade für die Debattenkultur dieses Landes, dass unliebsame Fakten von den Medien einfach unterdrückt werden. Die Geschichte dieser Unterdrückung ist jetzt im Buch Die Single-Lüge nachzulesen.


27. Juni 2006

Frank SCHIRRMACHER, gerade von der taz mit einem umfangreichen Dossier geehrt, bietet wieder einmal dem nationalkonservativen Bevölkerungswissenschaftlicher Herwig BIRG Gelegenheit, um seine oftmals wiederholten Sätze noch ein weiteres Mal zu wiederholen.
          
 
Unser Verschwinden würde gar nicht auffallen heißt der morgige FAZ-Beitrag, in dem 13 Legenden über die demografische Entwicklung in Deutschland richtig gestellt werden sollen.
          
 
Leider suche ich vergebens eine einzige aktuelle Zahl, mit der sich BIRG konkret auseinandersetzen würde. Die Zeit-Serie von Björn SCHWENTKER hätte dazu genügend Material geboten.
          
 
In meinem Buch Die Single-Lüge wird detailliert dargelegt, wie BIRG mit veralteten oder uneindeutigen Zahlen operiert. BIRGs taktische Manöver werden als Teil der nationalkonservativen Strategie eingeordnet. Nicht zuletzt wird eine Gegenstrategie vorgeschlagen, mit der diese Taktik durchkreuzt werden könnte.


17. Juli 2006

In der morgigen Tagesspiegel-Ausgabe fordert Daniel DETTLING eine umfassende Volkszählung. Er begründet dies u.a. damit, dass wir nichts über die Kinderlosigkeit der Akademikerinnen wüssten:

"Hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vor wenigen Wochen noch eine Quote von 25 Prozent genannt und damit die Zahl der Bundesregierung von 40 Prozent erheblich nach unten korrigiert, veröffentlichte das Bundesamt für Statistik unmittelbar danach in seinem Mikrozensus eine Quote von 30 Prozent. Das Bundesamt befragte jedoch nur Personen nach Kindern, die zum Zeitpunkt der Umfrage in ihrem Haushalt leben. Frauen, deren Kinder das Haus bereits verlassen haben, gelten demnach für die Zähler ebenfalls als »kinderlos«."

Sowohl die Volkszählung als auch der Mikrozensus beruhen auf einem Haushaltsansatz. Ohne Konzeptänderungen würden also auch bei der Volkszählung nur unbrauchbare Daten erhoben werden.
          
 
Wir haben es hier keineswegs nur mit einem Problem veralteter Daten zu tun, wie DETTLING behauptet, sondern bereits die Definition des Begriffs Kinderloser ist das Problem.
          
 
Dass die Kinderlosenzahl im Mikrozensus überschätzt wird, ist wahrlich kein neues Faktum. Die Probleme der Erfassung der Kinderlosigkeit in Deutschland werden ausführlich in meinem Buch Die Single-Lüge dargestellt. Es wird auch darauf eingegangen, warum es bislang gar nicht im Interesse der Politik war, die Verbreitung der Kinderlosigkeit zu erfahren.
          
 
Man hätte z.B. niemals das Pflegeurteil des Bundesverfassungsgericht vom April 2001 durchbringen können, das auf zu hoch angenommenen Kinderlosenzahlen beruht. In meinem Buch wird belegt, dass dies damals durchaus schon bekannt war.       


19. Juli 2006

Das Statistische Bundesamt veröffentlichte heute zwar die vorläufigen Ergebnisse unter der Schlagzeile Bevölkerung im Jahr 2005 leicht gesunken, aber nicht die Anzahl der Geburten im Jahr 2005.
          
 Eine durchaus merkwürdige Praxis, aber single-dasein.de wollte es genauer wissen. Die Geburtenzahlen sind nämlich bereits veröffentlicht. Sie befinden sich jedoch versteckt auf den Seiten des Statistischen Bundesamtes in einer Exceltabelle mit der Bezeichnung Natürliche Bevölkerungsentwicklung ab 1946 bis 2005 (Excel / 57 KB), die hier downloadbar ist.
            Nach den vorläufigen Ergebnissen wurden  685.784 Geburten im Jahr 2005 registriert.
          
 Möglicherweise erinnert sich noch jemand an das Spektakel mit dem im März dieses Jahres das Pamphlet "Minimum" von Frank SCHIRRMACHER auf den Buchmarkt geworfen wurde. Die Welt präsentierte extra zu diesem Zweck die angeblich neuesten Geburtenzahlen:

"Nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes kamen 2005 nur rund 676 000 Kinder auf die Welt. Gegenüber dem Vorjahr, als es noch knapp 706 000 Geburten waren, würde das ein Minus von über vier Prozent bedeuten - es wäre der gewaltigste Einbruch der letzten 15 Jahre",

verkündigten Uwe MÜLLER & Joachim PETER am 14. März und auch die so genannte Qualitätspresse druckte die Meldung ohne jegliche Überprüfung nach, weil sie so schön zum Buch passte.
          
 Die jetzigen ca. 686.000 Babys liegen also wesentlich höher. Dies dürfte einer Geburtenrate entsprechen, die bei ca. 1,34 liegt, wenn man der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 17.03.2006 glauben darf.
          
 Damit wäre die Geburtenrate - trotz der unsäglichen Debatte um das Elterngeld, die eher zu Geburtenaufschüben geführt haben dürfte - höher als in den Jahren 1991 - 1996. Sie würde auf dem Niveau der Jahre 2002/2003 liegen.
          
 Die Geburtenentwicklung ist also keineswegs so dramatisch wie das noch im Frühjahr dieses Jahres in den deutschen Medien dargestellt wurde.
          
 Das Buch Die Single-Lüge klärt darüber auf, warum Politik, Wissenschaft und Medien keinerlei Interesse an einer fairen Berichterstattung über die Geburtenentwicklung haben und warum das kontraproduktiv ist.


11. August 2006

Falscher Alarmismus tönt der Soziologe Ulrich BECK heute in der Süddeutschen Zeitung im Hinblick auf den methodologischen Nationalismus der "Nabelschau-Demographie". Aber gibt es einen richtigen Alarmismus? Reicht es den kosmopolitischen Blick zu beschwören, um dem Nationalkonservatismus Einhalt zu gebieten?
          
 
Ulrich BECK hat Anfang der 90er Jahre die Single-Rhetorik in Deutschland popularisiert. Mittlerweile ist aus der Single-Rhetorik ein falsches Bewusstsein der Singles und der Nicht-Singles entstanden. Die politische Ideologie, die der Mobilisierung der Nicht-Singles dienen sollte, ist längst aus dem Ruder gelaufen.
          
 
Es reicht deshalb nicht mehr aus, einfach nur einen kosmopolitischen Blick zu beschwören. Wer als Soziologe jetzt nicht der Single-Lüge Einhalt gebietet, muss sich vorhalten lassen, dass er sich an der Entstehung genau jener Zustände mitschuldig ist, die er vordergründig kritisiert.
          
 
Bislang gibt es nur wenige Soziologen, die der Single-Lüge entgegen treten. So kritisiert der Soziologe Karl Otto HONDRICH den Tanz ums goldene Kalb der Bestandserhaltungszahl.
          
 
Die Soziologin Michaela KREYENFELD hat nachgewiesen, dass die zusammengefasste Geburtenziffer (kurz: Geburtenrate) in Zeiten des steigenden Erstgebäralters und der Zunahme außerehelicher Geburten kein ausreichender Hinweis mehr auf steigende lebenslange Kinderlosigkeit ist.
          
 
Der Soziologe Norbert F. SCHNEIDER zeigt auf, dass die steigende Zahl der Single-Haushalte nicht gleich zu setzen ist mit Bindungslosigkeit. Vielmehr führt der Zwang zur beruflichen Mobilität zu neuen Bindungsformen wie den Fernbeziehungen.
          
 
Im Buch Die Single-Lüge werden die Gewissheiten der traditionellen Soziologie wie sie z.B. von Ulrich BECK vertreten wird, mit Ergebnissen der modernen Sozialforschung konfrontiert, die sich nicht vom Schein der amtlichen Statistik blenden lässt, sondern die gelebten Bindungen erforscht.      


15. August 2006

Die zweite Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zur Geburtenentwicklung im Jahr 2005 setzt die singlefeindliche Veröffentlichungspraxis fort. Single-dasein.de berichtet über die Reaktionen der Presse.


28. August 2006

Ist Deutschland noch zu retten? fragt heute die FAZ und lässt den nationalkonservativen Bevölkerungswissenschaftler Herwig BIRG gegen den Nationalökonom Albrecht MÜLLER antreten.
          
 
BIRG versucht mit seinem statistischen Wissensvorsprung zu punkten. Single-dasein.de berichtet hier exklusiv darüber, wo der Knackpunkt dieser - nur scheinbar bestechenden - nationalkonservativen Argumentation ist.
          
 
Albrecht MÜLLER hat sich für die Kinderlosen stark gemacht, was in diesen Zeiten nicht zu gering zu bewerten ist:

"Wenn ich heute einen Verein gründen wollte, dann als kinderreicher Vater den »Verein der Kinderlosen«, um richtig aufzuräumen mit denen, die unentwegt über Kinderlose herfallen".

Wer jene sind, die unentwegt über Kinderlose herfallen, das wird im Buch Die Single-Lüge ausführlich dargelegt.


02. September 2006

Gestern fragte Peter LEUSCH in einem Feature des DeutschlandRadio Zeugungsstreik in Deutschland? Warum aus Männern keine Väter werden. Dort heißt es:

"Nach der jüngst veröffentlichten Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungswissenschaft in Zusammenarbeit mit der Bosch-Stiftung - Titel: ‚Kinderwünsche in Deutschland’ - wollen jeder vierte Mann und jede siebte Frau in der Bundesrepublik kinderlos bleiben. Damit halten die Deutschen einen europäischen Negativrekord - wobei die gewollte Kinderlosigkeit in den westlichen Bundesländern noch ausgeprägter ist als im Osten."

Worüber regt sich LEUSCH hier eigentlich auf?
          
 
Im Jahr 2001 wurde das Pflegeurteil des Bundesverfassungsgerichts damit begründet, dass in Deutschland angeblich 33 % lebenslang kinderlos seien! Diese Zahlen waren damals bereits unglaubwürdig und sind es heute noch mehr. Warum gibt es hierzu keine Überprüfung? Wer verhindert, dass die tatsächlichen Zahlen in die Öffentlichkeit kommen? Sozialwissenschaftliche Studien von Christian SCHMITT zeigen z.B. dass die Kinderlosigkeit in Deutschland zurzeit bei ca. 25 % liegt. Wer stoppt also den Betrug an den Kinderlosen?
          
 
Welcher Zusammenhang besteht jedoch zwischen Kinderwunsch und Kinderlosigkeit? Die Literatur lässt uns da doch sehr im Stich.
          
 
Die Befragten sind in den Kinderwunschstudien ja keine Kinderlosen, sondern es werden alle Personen, z.B. im Alter zwischen 20 und 65 Jahren befragt, wie in der Kinderwunschstudie des Jahres 2005.
          
 
Wenn also jede siebte Frau in Deutschland kinderlos bleiben will, heißt das wirklich, dass sie kinderlos ist oder dass sie nur kein weiteres Kind mehr haben will? Hat sie etwa schon drei Kinder geboren und will kein viertes mehr? Die Zahlen, die LEUSCH präsentiert, sind doch recht armselig. Sie wollen dramatisieren, aber nicht aufklären!
          
 
Ein weiterer Punkt ist: es macht einen Unterschied, ob jemand mit 20 oder mit 65 Jahren sagt, er wolle kein Kind. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei jemanden, der mit 20 in einer Befragung aussagt, dass er kein Kind bekommen möchte, dass am Ende tatsächlich die lebenslange Kinderlosigkeit steht? Wo bitte sind diese Fakten?
          
 
In Deutschland werden wir seit Anfang der 90er Jahre mit der Single-Rhetorik bombardiert. Jahrzehntelang wurde den Singles eingeredet, sie seien die Mehrheit und die Familie eine Minderheit.
          
 
Ist es da - angesichts dieser Single-Lüge - ein Wunder, dass nun die Befragungen zeigen, dass die politische Demagogie erfolgreich war?
          
 
In dem Buch Die Single-Lüge wird aufgezeigt, welche Interessen für die gegenwärtige Situation verantwortlich sind.
          
 
In der österreichischen Zeitung Der Standard berichtet heute Beatrice UERLINGS über einen US-Trend: Lieber Hausfrau als Karrieristin. Frauen steigen aus guten Jobs aus und bleiben zu Hause. Diese Story hat mittlerweile mindestens einmal in jeder Mitte-Postille gestanden.
          
 
Im Buch Die Single-Lüge wird beschrieben, warum die refeudalisierte Hausfrauenfamilie im Trend liegt.
          
 
Man mag derzeit das Buch Das Eva-Prinzip von Eva HERMAN in den Medien einhellig zerreißen. Eva HERMAN mag nicht so clever sein, wie Katharina RUTSCHKY meint, aber auch wenn HERMAN untergeht, so wird das Thema weiter auf der Agenda bleiben.
          
 
Was man HERMAN absprechen mag, aber Frank SCHIRRMACHER oder Norbert BOLZ ganz sicherlich nicht, nämlich aufmerksamkeitsökonomischen Instinkt zu haben und diesen auch publicitywirksam umzusetzen, das zeigt allein, dass das Thema Hausfrauenfamilie Zukunft hat. Mehr noch als SCHIRRMACHER hat Norbert BOLZ die Hausfrauenfamilie in den Mittelpunkt seines neuen Buches gestellt.
          
 
Es darf jedoch sehr wohl gefragt werden, ob die alte mit der neuen Hausfrauenfamilie - angesichts der gesellschaftlichen Strukturveränderungen - noch viel zu tun hat.
          
 
Das Buch Die Single-Lüge zeigt auf, dass die 50er Jahre Hausfrauenfamilie nichts mit der neuen Hausfrauenfamilie der neuen Mitte zu tun hat. Schon allein die Bildungsexpansion und der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft hat die Bedingungen grundlegend verändert...


25. September 2006

Der Soziologe Franz-Xaver KAUFMANN darf anlässlich des Ende September stattfindenden zweiten «World Ageing & Generations Congress» der World Demographic Association in der heutigen Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung unter der Überschrift Wenn der Nachwuchs ausbleibt und die Gesellschaft schrumpft, seine Position darlegen.
          
 
KAUFMANN sieht im Geburtenrückgang das gesellschaftliche Hauptproblem der vergreisenden Gesellschaft. Im Buch Die Single-Lüge wird diese Sichtweise als nationalkonservatives Paradigma beschrieben.

"Die demographische Entwicklung in der Schweiz ähnelt derjenigen Deutschlands. Auch hier setzte der Geburtenrückgang schon Mitte der sechziger Jahre ein, zweifellos im Zusammenhang mit der Verbreitung effektiverer Kontrazeptiva. Auch hier wurde der Geburtenrückgang durch die Zuwanderung überlagert: Die einheimische Bevölkerung bringt es in beiden Ländern mittlerweile nur noch durchschnittlich auf 1,1 bis 1,2 Kinder pro Frau, die ausländische Bevölkerung dagegen auf 1,8 bis 1,9 Kinder - allerdings mit grossen nationalen Unterschieden. Weil der Anteil der Zuwanderung in der Schweiz noch grösser als in Deutschland ist, fällt die schwache Fertilität der Schweizerinnen weniger auf, und auch die Perspektiven der gesamten Bevölkerungsentwicklung sind nicht so dramatisch",

schreibt KAUFMANN.
          
 
Frankreich gilt Nationalkonservativen als Vorzeigeland, weil dort angeblich noch ein ungebrochenes Verhältnis der Bevölkerung zur Bevölkerungspolitik herrscht. Dies gelingt ihnen jedoch nur mit einem bevölkerungsstatistischen Kniff. In Frankreich zählen Kolonialfranzosen, z.B. aus Nordafrika, als Einheimische, weshalb die Geburtenrate der Franzosen höher erscheint als die der Deutschen oder Schweizerinnen.
          
 
Ein Blick von single-generation.de in französische Bücher offenbart - anders als die verzerrte deutsche Sicht dies vermuten ließe - dass die Familiennation Frankreich mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat. Jean-Claude GUILLEBAUDs Buch Die Tyrannei der Lust und Jean-Claude KAUFMANNs neues Buch Kochende Leidenschaft dokumentieren die Auflösungserscheinungen in Frankreich. Wenn der französische Soziologe KAUFMANN die Mahlzeit als letztes Bollwerk gegen die Auflösung der Familie beschwört und den bewussteren Umgang der Deutschen mit Ernährungsfragen lobt, dann zeigt sich, dass der angeblich deutsche demografische Sonderweg nur im europäischen oder gar globalen Kontext verständlich wird. Der Soziologe Karl Otto HONDRICH bietet deshalb einen anderen Blick auf den demografischen Wandel.
          
 
Der österreichische Historiker Josef EHMER hat in seinem Buch zur Bevölkerungsgeschichte zudem darauf hingewiesen, dass der von Franz-Xaver KAUFMANN behauptete enge Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung nicht einmal historisch nachweisbar ist.  


26. Oktober 2006

Die Chefredakteurin der Zeitschrift Das Magazin, Manuela THIEME, hat mich im Oktober zur Single-Frage interviewt. Es ging dabei um die wissenschaftlichen Fehleinschätzungen zum Thema Single (mehr hier). In der Novemberausgabe des Magazins findet sich nun der Beitrag Single-Geklingel, in dem mein Kampf "für die Korrektur der Single-Lüge" beschrieben wird. Das Buch Die Single-Lüge wird von THIEME als hochinteressante Polemik mit akademischem Grundton charakterisiert. Für die Zeitschriftenumschau der Berliner Tageszeitung taz hat Alexander CAMMANN die Titelgeschichte Glücklich allein? des Magazins bereits am 24. Oktober in den Kontext der von Frank SCHIRRMACHER angestoßenen Debatte um die ostdeutschen Singlemänner gestellt.  


20. November 2006

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat gleich zwei Hefte der Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft herausgebracht, in denen sich neue Zahlen zur Geburtenentwicklung finden.
          
 
Im Heft 4/2005 beschäftigt sich der Bevölkerungswissenschaftler Jürgen DORBRITZ mit Kinderlosigkeit in Deutschland und Europa - Daten, Trends und Einstellungen. Was bei single-dasein.de bereits am 7. November zu lesen war, das wird nun auch von DORBRITZ bestätigt.
          
 
Der Anteil der lebenslang Kinderlosen des westdeutschen Frauenjahrgangs 1965 liegt offenbar wesentlich niedriger wie von Herwig BIRG geschätzt. Statt ein Drittel, bleibt höchstens ein Viertel lebenslang kinderlos. Die Kinderlosigkeit der ostdeutschen Frauen ist sogar noch niedriger, wobei sich hier zeigt, dass die bisherigen Berechnungsmethoden der Bevölkerungswissenschaftler bei jungen Frauen nicht mehr anwendbar sind. Dieses Desaster zeichnete sich jedoch schon seit längerem ab.
          
 
Auch der Beitrag Die demographische Lage in Deutschland 2005 von Evelyn GRÜNHEID bestätigt, dass der Vorwurf der Single-Lüge durchaus berechtigt ist. Single-generation.de hat sich deshalb ausführlich mit der Analyse von GRÜNHEID beschäftigt (mehr hier).  


19. März 2007

Sehr geehrter Herr Ernst,

Sie möchten in Ihrem Editorial zur Titelgeschichte über das Alleinleben (Psychologie Heute, April 2007) Verständnis für Singles wecken? Dann publizieren Sie bitte keine falschen Zahlen mehr zur Verbreitung der Alleinlebenden.
          
 
Weder lebt die Mehrheit in den Großstädten allein (es sind nur ca. ein Drittel), noch lebt ein Drittel der volljährigen Deutschen allein (es sind nicht einmal ein Fünftel). Der aktuelle Bericht zur demographischen Lage in Deutschland 2005 berichtet gar von einer rückläufigen Entwicklung der Single-Haushalte - insbesondere in westdeutschen - Großstädten:

"Der Anteil der Haushalte, die sich in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern befinden, hat sich seit 1991 verringert. Hier haben sich die erheblichen Strukturveränderungen zugunsten kleinerer Haushalte - vor allem in den westdeutschen Großstädten - bereits vor 1991 vollzogen." (2006, S.83)

Indem Sie die Anzahl der Alleinlebenden übertreiben, bedienen sie genau jene Ängste, die auch Familienpolitiker mit ihrer Single-Rhetorik schüren, um den Druck und Rechtfertigungszwang auf Alleinlebende zu erhöhen. Der Soziologe Stefan HRADIL, der ein Standardwerk zur Sozialstruktur in Deutschland verfasst hat, hat sich folgendermaßen dazu geäußert:

"Bedenkt man, dass selbst die (....) weiteste Definition zum Ergebnis kommt, dass weniger als ein Zehntel der Einwohner Deutschlands Singles sind, so erweisen sich viele schrillen Pressemeldungen als Unsinn: »Schon ein Drittel der Deutschen sind Singles« schrieb einmal die renommierte Süddeutsche Zeitung in einer dreispaltigen Überschrift. Hier wurde, wie so oft, der Anteil der Einpersonenhaushalte an allen Haushalten Deutschlands (ca. 37 %) mit dem Anteil der Singles an allen Personen Deutschlands verwechselt. Es wurde nicht berücksichtigt, dass in dem guten Drittel der Privathaushalte in Deutschland, in dem jeweils nur eine Person lebt, viel weniger als ein Drittel aller Menschen wohnen, nämlich ca. 16 %." (2006, S.80f.)

Sie stellen richtig heraus, dass die angebliche Zunahme der Bindungslosigkeit die gestiegene Zahl der Einpersonenhaushalte nicht erklären kann. Bei den Alleinlebenden handelt es sich zum einen nicht unbedingt um Partnerlose, zum anderen unterscheidet sich die Lebenssituation von Studenten, Berufsanfängern, Geschiedenen und älteren Menschen, deren Partner gestorben ist, erheblich.
          
 
Die Titelgeschichte von Susie REINHARDT ist in dieser Hinsicht jedoch unterkomplex und bleibt leider auch hinter dem aktuellen Stand der Wissenschaft zurück.
          
 
Wer nicht-eheliche Lebensgemeinschaften heutzutage noch zu den unkonventionellen Lebensformen zählt, dessen Bewertungskriterien stammen offensichtlich aus den 1950er und 1960er Jahren. Es stimmt auch nicht, dass diese Lebensform nicht von der amtlichen Statistik erfasst wird. Richtig ist jedoch, dass die Erfassung unzulänglich ist.
          
 
Ob die Zahl der Partnerlosen steigt, das ist keinesfalls sicher. Es gibt repräsentative Studien, wonach die steigende Zahl der Einpersonenhaushalte keineswegs mit einer Zunahme der Partnerlosen einher geht. Stattdessen deuten die modernen Paarformen ohne gemeinsamen bzw. mit getrenntem Haushalt darauf hin, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Partnerschaft aufgrund der modernen Arbeitswelt und der Emanzipation der Frau schwieriger geworden ist, aber weiterhin das Paar/die Familie und nicht der Single das Ideal ist.
Es gibt sogar Hinweise darauf, dass moderne Paarformen stabiler sein könnten als die Ehe.

          
 
Im Gegensatz zur von REINHARDT zitierten Studie einer Forschungsgruppe um den Sexualwissenschaftler Gunter SCHMIDT, deren Repräsentativität sich nur auf norddeutsche Großstädte mit überwiegend protestantischer Bevölkerung bezieht, kommt eine repräsentative Konstanzer Längsschnittuntersuchung hinsichtlich der seriellen Monogamie für die 16-35Jährigen zum Ergebnis:

"Vergleichen wir die Befunde mit anderen Studien, so zeigt sich vor allem, daß die Anzahl der Partnerschaften der untersuchten Jugendlichen im Vergleich zu früheren Kohorten geringfügig gestiegen ist. Was die Dauer betrifft, so sind über den gesamten beobachteten Zeitraum, dies sind immerhin 19 Jahre, nur fünf Prozent der Männer und vier Prozent der Frauen dauerhaft Single. Damit hatten nahezu 95 Prozent der Befragten mindestens einen Partner." (2007, S.184)

Bei den Gründen für den Single-Trend vermisse ich die zunehmende Langlebigkeit (Der Trend zur Langlebigkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit von Single-Phasen), die veränderten Muster der Partnerwahl (Der Trend zu Beziehungen Gleichaltriger bei Angleichung der Lebenserwartung der Geschlechter führt zur relativen Abnahme der älteren Alleinlebenden), die Regelungen des Scheidungsrechtes (Geschiedene Männer sind häufiger Alleinlebende, weil immer noch öfter die Kinder der Frau zugesprochen werden) und die unterschiedliche Entwicklung in West- und Ostdeutschland (die nachholende Modernisierung im Osten führt zu steigenden Single-Haushalten).
          
 
Unerwähnt bleibt, dass spätestens seit den 90er Jahren zunehmend Männer einen Einpersonenhaushalt führen. Im Jahr 1972 lebten 13,4 % der erwachsenen Frauen im Einpersonenhaushalt, aber nur 5,9 % der Männer. Während sich der Anteil der Männer bis zum Jahr 2003 auf 15,4 % fast verdreifachte, erhöhte sich der Anteil der Frauen gerade einmal auf 19,2 % (mehr). Wo bleibt also die überfällige Titelgeschichte über das männliche Alleinleben?
          
 
Wenn von Susie REINHARDT vor allem die Wahlfreiheit als Beziehungshürde hervorgehoben wird, dann erscheint mir das angesichts der Hartz-Gesetze mit ihren Zumutungen für Singles doch etwas weltfremd. Nicht zunehmende Optionen, sondern neue Zwänge prägen das Alleinleben von vielen jungen Erwachsenen und Arbeitnehmern.

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Kittlaus


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